ARBEITEST DU NOCH ODER LEBST DU SCHON?

NEW URBAN OFFICE: UNSERE ARBEITSWELT IM WANDEL

Die digitale Transformation schreitet voran. Und sie verändert nicht nur unser privates Leben, sie schafft auch einen tiefgreifenden Wandel unserer Wirtschaftswelt. Wie ein Relikt aus analogen Tagen wirkt mittlerweile das lange Zeit vorherrschende Bild des gutmütigen, aber strengen Familienpatriarchen, der von seinem möglichst großen Schreibtisch aus die Geschicke seines Unternehmens dirigierte. Stattdessen stehen heute ehemalige Start-up-Schmieden wie Apple, Google, Microsoft, Amazon oder Facebook an der Spitze der wertvollsten Unternehmen der Welt; Unternehmen also, die zum großen Teil vor zwanzig Jahren noch gar nicht existierten und deren gigantisches Wachstum zuallererst auf den immer begehrteren Rohstoffen Wissen und Kreativität basiert. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen; im Gegenteil, sie wird sich in den kommenden Jahrzehnten durch das Büro 4.0 und das Internet der Dinge noch beschleunigen. Neue Technologien wie Cloud-Computing, neue Apps oder interaktive Tische und Wände werden unseren Arbeitsplatz von morgen noch einmal grundlegend umkrempeln. Parallel dazu verschwinden auch die Grenzen zwischen Freizeit und Job, zwischen privat und öffentlich immer weiter.

Und das hat Auswirkungen auch auf die Anforderungsprofile für die Mitarbeiter: Gefragt in diesem neuen Arbeitsumfeld sind junge urbane Kreative, die neue Ideen mitbringen, die selbstbewusst Verantwortung übernehmen und die sich interaktiv an verschiedensten Orten zu unterschiedlichsten Zeiten für gemeinsame Vorhaben einsetzen; Mitarbeiter der Generationen X und Y, die teamorientiert und an flachen Hierarchien interessiert sind und die gern frei und ungebunden an unterschiedlichen, auch informellen Orten arbeiten. Umkehren lässt sich dieser fundamentale gesellschaftliche und wirtschaftliche Wandel nicht. Aber wir sollten die Möglichkeit nutzen, ihn zu steuern und aktiv zu gestalten. Und das am besten nachhaltig und zum Wohle aller. Wer das versteht und wer dazu bereit ist, sich auf die vielschichtigen Veränderungen einzulassen, dem bieten sich eine Vielzahl neuer Optionen. Das gilt für Unternehmen ebenso wie für Regionen. In gewisser Weise sitzen beide sogar im gleichen Boot; schließlich sind sie nur in enger Zusammenarbeit und im wechselseitigen Austausch dazu in der Lage, ein attraktives Umfeld mit hochwertigen Arbeitsplätzen und einem vielfältigen Kultur- und Freizeitangebot zu schaffen, das ausreichend Urbanität bietet, um kreative und gut ausgebildete Menschen an sich zu binden.

DAS MODERNE BÜRO ALS ABBILD DER STADT

Eine ganz entscheidende Rolle kommt an dieser Stelle den Architekten zu. Denn sie sind nicht nur an der Planung unserer Städte beteiligt, sie gestalten auch die Büros von morgen. Und beides sollte sich im besten Falle gegenseitig beeinflussen. Der Arbeitsplatz von morgen erscheint in dieser Perspektive nicht nur als ein essentieller Teil des Gesamtgefüges „Stadt“, er greift das dort vorhandene Zusammenspiel unterschiedlichster Aktivitäten und Möglichkeiten auch in seiner eigenen Struktur auf. Orte der Kommunikation und des Austausches wechseln entsprechend mit Orten zum Konzentrieren und zum Alleinsein, je nach Bedarf gibt es außerdem Konferenzzonen, Kaffeebars, Veranstaltungsbereiche, eine Bibliothek oder Räume zum Entspannen oder für sportliche Aktivität. Und wer möchte, der nimmt seinen Laptop auch mit ins Café, um dort in anderer Umgebung weiterzuarbeiten und auf neue Ideen zu kommen.

Ganz so wie in einer italienischen Kleinstadt bewegt sich der Nutzer in einem solchen Büro durch seinen Tagesablauf und sucht dabei je nach Anforderung eigenständig die richtigen Orte zum Arbeiten aus. Statt der früher üblichen Grundsatzentscheidung eines Unternehmens zwischen Großraumbüro oder Zelle, zwischen permanentem Kommunikationsüberfluss oder Vereinsamung punktet das moderne urbane Büro durch ein entschiedenes Sowohl-als-auch und lässt dem einzelnen Mitarbeiter damit ganz viel Raum für eigene Verantwortung, für eigene Kreativität.

DIE FACTORY IN BERLIN

Ein gelungenes Beispiel für ein solches „New Urban Office“, das sich ganz gezielt an den Bedürfnissen junger, kreativer Mitarbeiter orientiert, bietet die 2014 in einem aufwendig sanierten Brauereigebäude eröffnete Factory in Berlin. Das Projekt hat sich mittlerweile als einer der bundesweit interessantesten Standorte für Start-ups etabliert, nach und nach haben sich hier so renommierte Unternehmen wie der US-amerikanische Kurznachrichtendienst Twitter, die soziale Ideenplattform Pinterest, der Streaming-Anbieter Soundcloud oder die amerikanische Mobilitätsplattform Uber niedergelassen, um von den positiven Synergieeffekten auf dem Campus ebenso wie von der zentralen Lage inmitten des vibrierenden Szeneviertels Mitte zu profitieren.

Ganz explizit versteht sich die Factory als ein Ort, an dem sich Old und New Economy treffen, austauschen und zusammenarbeiten können. Neben unterschiedlich großen, flexibel einteilbaren und je nach Anforderung individuell strukturierten und möblierten Büroeinheiten stehen dazu auch gemeinschaftlich durch verschiedene Unternehmen nutzbare Küchen und Cafés zur Verfügung; als ideale Orte zum Netzwerken und zum Ideenaustausch. Eine Besonderheit ist außerdem das sogenannte Factory-Membership-Modell, mit dem Gründer, Selbstständige und Freelancer Zugang zum Factory-Netzwerk haben und Arbeitsplätze sowie Meeting-Räume auf dem Campus nutzen können.

DAS SILICON VALLEY ALS VORLÄUFER

Ein Teil der hier aufscheinenden Ideen wie der fließende Wechsel unterschiedlicher Arbeitsflächen wurde bereits seit den 1980er-Jahren in Skandinavien entwickelt, um die Motivation und Kommunikation der Mitarbeiter zu fördern. Noch einen Schritt weiter gingen dann seit der Jahrtausendwende die digitalen Trendsetter im kalifornischen Silicon Valley, allen voran Apple und Google. Statt möglichst hohe und möglichst repräsentative Bürotürme zu errichten, um die Bedeutung des eigenen Unternehmens zu unterstreichen, stellten beide konsequent die Mitarbeiterzufriedenheit in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen. Das Ergebnis ist ein abwechslungsreicher Mix von Gruppenarbeitsplätzen für übergreifendes Teamwork, individuellen Rückzugsorten für ungestörte Einzelarbeit und gemütlichen Lounge-Bereichen für entspanntes Zusammensein. Als zusätzliche Features stehen den Mitarbeitern außerdem Kinos, Fitnesscenter oder kostenfreie Kantinen zur Verfügung. Und wem das nicht zusagt, der kann alternativ beim Schaukeln oder beim Billardspielen neue Kraft tanken. Mit Erfolg offenbar, denn immerhin führt Google seit Jahren das Ranking als weltweit beliebtester Arbeitgeber an.

Inzwischen hat sich der Trend zur Schaffung solch kreativ-verspielter Arbeitswelten auch andernorts durchgesetzt. Und das betrifft längst nicht mehr nur Online-Unternehmen, kreative Branchen oder junge Start-ups, sondern hat mittlerweile auch traditionelle Bereiche der Wirtschaft erreicht. Vom DJ-Pult über die Kletterwand bis hin zum Strandkorb gibt es dabei eigentlich nichts mehr, das nicht in irgendeinem Büro weltweit schon umgesetzt worden wäre. Wo hier die Grenze zum Aktionismus liegt, hängt außer vom eigenen Empfinden vor allem von den Spielregeln der betreffenden Branche und der jeweiligen Unternehmensphilosophie ab; in jedem Fall aber wird der Wandel hin zu einer offeneren Bürokultur nur dann gelingen, wenn das neue Konzept nicht nur oberflächlicher Marketing-Gag ist, sondern tatsächlich durch eine großzügige und vertrauensvolle Grundhaltung auf Seiten des Arbeitgebers getragen wird und zum Beispiel nicht jede Abwesenheit vom angestammten Platz sofort geloggt werden muss.

HOHE FLEXIBILITÄT GEFRAGT

Wie sich der Wunsch der Mitarbeiter nach mehr Freizeit und Flexibilität auch ohne Spaßkultur à la Google umsetzen lässt, zeigt beispielhaft das vor kurzem bezogene, nach Plänen des Architekturbüros Wolfgang Kergaßner aus Ostfildern realisierte ZF Forum des Autozulieferers ZF Friedrichshafen. Der dynamisch geschnittene sechsgeschossige Neubau integriert auf einer Fläche von 30.000 Quadratmetern Büroarbeitsplätze sowie Schulungs- und Tagungsräume für 650 Mitarbeiter.

Feste Schreibtische mit Zimmerpflanze oder privatem Fotokalender sucht man dabei vergeblich. Um ein flexibles, mobiles und selbstbestimmtes Arbeiten zu ermöglichen und die hohen Anforderungen an Teamarbeit und Kommunikation umzusetzen, kam stattdessen das mit Hilfe des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) entwickelte und zuvor in einer Testphase mit zwei Abteilungen erprobte Bürokonzept 3.0 zum Einsatz.

Das Modell basiert zunächst auf der Annahme, dass konkrete Arbeitsaufgaben jeweils eine konkrete Arbeitsumgebung erfordern. In jeder Abteilung stehen deshalb unterschiedlich große offene Büroflächen, abgeschlossene Besprechungsräume, bequeme Sitzlounges, eine Bibliothek oder intime Raumboxen zur Verfügung, die von den Mitarbeitern eigenständig je nach aktueller Anforderung aufgesucht und genutzt werden. Das intensive Desk-Sharing sorgt nicht nur für eine hohe Funktionalität der Arbeitsplätze, es berücksichtigt mit weniger Arbeitsplätzen als Mitarbeitern auch bereits Krankheits- oder Fortbildungstage und sorgt so für einen minimierten Leerstand und eine optimierte Nutzung der zur Verfügung stehenden Fläche.

Flankiert wird das Konzept durch modernste Technologien für digitale Büroarbeit sowie durch eine intelligent angepasste Architektur. So ermöglicht die flexible Grundrissstruktur des Gebäudes eine maximale Freiheit bei der Aufteilung der einzelnen Bereiche und erlaubt außerdem auch spätere Umstrukturierungen ohne größere Eingriffe. Ein wichtiger Baustein ist außerdem das gebäudehohe zentrale Atrium, das im Zusammenspiel mit dem eingesetzten Bürokonzept für kurze Wege, vielfältige Blickkontakte und eine Vielzahl an Möglichkeiten für zufällige Begegnungen sorgt. Ein Teil der anfallenden Arbeiten kann so quasi „nebenbei“ auf Zuruf gelöst werden.

RAUM FÜR IDEEN

Die Anforderungen an das moderne Büro sind vielfältig. Und sie lassen sich, wie gesehen, ganz unterschiedlich umsetzen. Wichtig dabei: Das moderne Büro muss Raum bieten – Raum für Kommunikation, Raum für Ideen, Raum für Veränderung. Denn in einer Arbeitswelt des ständigen Wandels müssen nicht nur Tag für Tag die unterschiedlichsten Anforderungen bewältigt werden, die Immobilie muss auch jederzeit auf neue Geschäftsmodelle oder auf Verkleinerungen oder Vergrößerungen von Unternehmen reagieren können.

Um das Büro mit Leben zu füllen, ist außerdem Entdeckergeist gefragt. Und das auf beiden Seiten. Entscheidend ist nicht die Rutsche am Arbeitsplatz, entscheidend ist es auch nicht, ob an dieser oder jener Stelle im Raum ein rotes oder doch eher ein grünes Sofa steht – entscheidend ist es vielmehr, dass es einen gemeinsamen Teamgeist gibt, der nicht von oberen herabbefohlen, sondern von allen gelebt wird. Nur so können vorhandene Schwellen abgebaut werden; die Schwellen untereinander, aber auch die Schwelle zwischen Arbeiten und Leben. Im besten Falle gelingt dann eine neue Work-Life-Balance, in der die Potenziale jedes einzelnen deutlich besser zum Tragen kommen. Die Mitarbeiter werden es danken. Schließlich zeichnen sich Produktivität und Kreativität nicht dadurch aus, dass man möglichst lange auf seinem Platz verharrt. Und sie hängen auch nicht davon ab, ob der Einzelne seine Aufgaben morgens im Zug, mittags im Café oder abends auf der Couch erledigt. Im Gegenteil: Die zunehmende Digitalisierung erlaubt uns den Luxus, an verschiedensten Orten zu unterschiedlichsten Zeiten arbeiten zu können. Schöne Aussichten also!

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ARBEITEST DU NOCH ODER LEBST DU SCHON?

Die digitale Transformation schreitet voran. Und sie verändert nicht nur unser privates Leben, sie schafft auch einen tiefgreifenden Wandel unserer Wirtschaftswelt. Wie ein Relikt aus analogen Tagen wirkt mittlerweile das lange Zeit vorherrschende Bild des gutmütigen, aber strengen Familienpatriarchen, der von seinem möglichst großen Schreibtisch aus die Geschicke seines Unternehmens dirigierte. Stattdessen stehen heute ehemalige Start-up-Schmieden wie Apple, Google, Microsoft, Amazon oder Facebook an der Spitze der wertvollsten Unternehmen der Welt; Unternehmen also, die zum großen Teil vor zwanzig Jahren noch gar nicht existierten und deren gigantisches Wachstum zuallererst auf den immer begehrteren Rohstoffen Wissen und Kreativität basiert. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen; im Gegenteil, sie wird sich in den kommenden Jahrzehnten durch das Büro 4.0 und das Internet der Dinge noch beschleunigen. Neue Technologien wie Cloud-Computing, neue Apps oder interaktive Tische und Wände werden unseren Arbeitsplatz von morgen noch einmal grundlegend umkrempeln. Parallel dazu verschwinden auch die Grenzen zwischen Freizeit und Job, zwischen privat und öffentlich immer weiter.

NEW URBAN OFFICE: UNSERE ARBEITSWELT IM WANDEL

Die digitale Transformation schreitet voran. Und sie verändert nicht nur unser privates Leben, sie schafft auch einen tiefgreifenden Wandel unserer Wirtschaftswelt. Wie ein Relikt aus analogen Tagen wirkt mittlerweile das lange Zeit vorherrschende Bild des gutmütigen, aber strengen Familienpatriarchen, der von seinem möglichst großen Schreibtisch aus die Geschicke seines Unternehmens dirigierte. Stattdessen stehen heute ehemalige Start-up-Schmieden wie Apple, Google, Microsoft, Amazon oder Facebook an der Spitze der wertvollsten Unternehmen der Welt; Unternehmen also, die zum großen Teil vor zwanzig Jahren noch gar nicht existierten und deren gigantisches Wachstum zuallererst auf den immer begehrteren Rohstoffen Wissen und Kreativität basiert. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen; im Gegenteil, sie wird sich in den kommenden Jahrzehnten durch das Büro 4.0 und das Internet der Dinge noch beschleunigen. Neue Technologien wie Cloud-Computing, neue Apps oder interaktive Tische und Wände werden unseren Arbeitsplatz von morgen noch einmal grundlegend umkrempeln. Parallel dazu verschwinden auch die Grenzen zwischen Freizeit und Job, zwischen privat und öffentlich immer weiter.

Und das hat Auswirkungen auch auf die Anforderungsprofile für die Mitarbeiter: Gefragt in diesem neuen Arbeitsumfeld sind junge urbane Kreative, die neue Ideen mitbringen, die selbstbewusst Verantwortung übernehmen und die sich interaktiv an verschiedensten Orten zu unterschiedlichsten Zeiten für gemeinsame Vorhaben einsetzen; Mitarbeiter der Generationen X und Y, die teamorientiert und an flachen Hierarchien interessiert sind und die gern frei und ungebunden an unterschiedlichen, auch informellen Orten arbeiten. Umkehren lässt sich dieser fundamentale gesellschaftliche und wirtschaftliche Wandel nicht. Aber wir sollten die Möglichkeit nutzen, ihn zu steuern und aktiv zu gestalten. Und das am besten nachhaltig und zum Wohle aller. Wer das versteht und wer dazu bereit ist, sich auf die vielschichtigen Veränderungen einzulassen, dem bieten sich eine Vielzahl neuer Optionen. Das gilt für Unternehmen ebenso wie für Regionen. In gewisser Weise sitzen beide sogar im gleichen Boot; schließlich sind sie nur in enger Zusammenarbeit und im wechselseitigen Austausch dazu in der Lage, ein attraktives Umfeld mit hochwertigen Arbeitsplätzen und einem vielfältigen Kultur- und Freizeitangebot zu schaffen, das ausreichend Urbanität bietet, um kreative und gut ausgebildete Menschen an sich zu binden.

DAS MODERNE BÜRO ALS ABBILD DER STADT

Eine ganz entscheidende Rolle kommt an dieser Stelle den Architekten zu. Denn sie sind nicht nur an der Planung unserer Städte beteiligt, sie gestalten auch die Büros von morgen. Und beides sollte sich im besten Falle gegenseitig beeinflussen. Der Arbeitsplatz von morgen erscheint in dieser Perspektive nicht nur als ein essentieller Teil des Gesamtgefüges „Stadt“, er greift das dort vorhandene Zusammenspiel unterschiedlichster Aktivitäten und Möglichkeiten auch in seiner eigenen Struktur auf. Orte der Kommunikation und des Austausches wechseln entsprechend mit Orten zum Konzentrieren und zum Alleinsein, je nach Bedarf gibt es außerdem Konferenzzonen, Kaffeebars, Veranstaltungsbereiche, eine Bibliothek oder Räume zum Entspannen oder für sportliche Aktivität. Und wer möchte, der nimmt seinen Laptop auch mit ins Café, um dort in anderer Umgebung weiterzuarbeiten und auf neue Ideen zu kommen.

Ganz so wie in einer italienischen Kleinstadt bewegt sich der Nutzer in einem solchen Büro durch seinen Tagesablauf und sucht dabei je nach Anforderung eigenständig die richtigen Orte zum Arbeiten aus. Statt der früher üblichen Grundsatzentscheidung eines Unternehmens zwischen Großraumbüro oder Zelle, zwischen permanentem Kommunikationsüberfluss oder Vereinsamung punktet das moderne urbane Büro durch ein entschiedenes Sowohl-als-auch und lässt dem einzelnen Mitarbeiter damit ganz viel Raum für eigene Verantwortung, für eigene Kreativität.

DIE FACTORY IN BERLIN

Ein gelungenes Beispiel für ein solches „New Urban Office“, das sich ganz gezielt an den Bedürfnissen junger, kreativer Mitarbeiter orientiert, bietet die 2014 in einem aufwendig sanierten Brauereigebäude eröffnete Factory in Berlin. Das Projekt hat sich mittlerweile als einer der bundesweit interessantesten Standorte für Start-ups etabliert, nach und nach haben sich hier so renommierte Unternehmen wie der US-amerikanische Kurznachrichtendienst Twitter, die soziale Ideenplattform Pinterest, der Streaming-Anbieter Soundcloud oder die amerikanische Mobilitätsplattform Uber niedergelassen, um von den positiven Synergieeffekten auf dem Campus ebenso wie von der zentralen Lage inmitten des vibrierenden Szeneviertels Mitte zu profitieren.

Ganz explizit versteht sich die Factory als ein Ort, an dem sich Old und New Economy treffen, austauschen und zusammenarbeiten können. Neben unterschiedlich großen, flexibel einteilbaren und je nach Anforderung individuell strukturierten und möblierten Büroeinheiten stehen dazu auch gemeinschaftlich durch verschiedene Unternehmen nutzbare Küchen und Cafés zur Verfügung; als ideale Orte zum Netzwerken und zum Ideenaustausch. Eine Besonderheit ist außerdem das sogenannte Factory-Membership-Modell, mit dem Gründer, Selbstständige und Freelancer Zugang zum Factory-Netzwerk haben und Arbeitsplätze sowie Meeting-Räume auf dem Campus nutzen können.

DAS SILICON VALLEY ALS VORLÄUFER

Ein Teil der hier aufscheinenden Ideen wie der fließende Wechsel unterschiedlicher Arbeitsflächen wurde bereits seit den 1980er-Jahren in Skandinavien entwickelt, um die Motivation und Kommunikation der Mitarbeiter zu fördern. Noch einen Schritt weiter gingen dann seit der Jahrtausendwende die digitalen Trendsetter im kalifornischen Silicon Valley, allen voran Apple und Google. Statt möglichst hohe und möglichst repräsentative Bürotürme zu errichten, um die Bedeutung des eigenen Unternehmens zu unterstreichen, stellten beide konsequent die Mitarbeiterzufriedenheit in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen. Das Ergebnis ist ein abwechslungsreicher Mix von Gruppenarbeitsplätzen für übergreifendes Teamwork, individuellen Rückzugsorten für ungestörte Einzelarbeit und gemütlichen Lounge-Bereichen für entspanntes Zusammensein. Als zusätzliche Features stehen den Mitarbeitern außerdem Kinos, Fitnesscenter oder kostenfreie Kantinen zur Verfügung. Und wem das nicht zusagt, der kann alternativ beim Schaukeln oder beim Billardspielen neue Kraft tanken. Mit Erfolg offenbar, denn immerhin führt Google seit Jahren das Ranking als weltweit beliebtester Arbeitgeber an.

Inzwischen hat sich der Trend zur Schaffung solch kreativ-verspielter Arbeitswelten auch andernorts durchgesetzt. Und das betrifft längst nicht mehr nur Online-Unternehmen, kreative Branchen oder junge Start-ups, sondern hat mittlerweile auch traditionelle Bereiche der Wirtschaft erreicht. Vom DJ-Pult über die Kletterwand bis hin zum Strandkorb gibt es dabei eigentlich nichts mehr, das nicht in irgendeinem Büro weltweit schon umgesetzt worden wäre. Wo hier die Grenze zum Aktionismus liegt, hängt außer vom eigenen Empfinden vor allem von den Spielregeln der betreffenden Branche und der jeweiligen Unternehmensphilosophie ab; in jedem Fall aber wird der Wandel hin zu einer offeneren Bürokultur nur dann gelingen, wenn das neue Konzept nicht nur oberflächlicher Marketing-Gag ist, sondern tatsächlich durch eine großzügige und vertrauensvolle Grundhaltung auf Seiten des Arbeitgebers getragen wird und zum Beispiel nicht jede Abwesenheit vom angestammten Platz sofort geloggt werden muss.

HOHE FLEXIBILITÄT GEFRAGT

Wie sich der Wunsch der Mitarbeiter nach mehr Freizeit und Flexibilität auch ohne Spaßkultur à la Google umsetzen lässt, zeigt beispielhaft das vor kurzem bezogene, nach Plänen des Architekturbüros Wolfgang Kergaßner aus Ostfildern realisierte ZF Forum des Autozulieferers ZF Friedrichshafen. Der dynamisch geschnittene sechsgeschossige Neubau integriert auf einer Fläche von 30.000 Quadratmetern Büroarbeitsplätze sowie Schulungs- und Tagungsräume für 650 Mitarbeiter.

Feste Schreibtische mit Zimmerpflanze oder privatem Fotokalender sucht man dabei vergeblich. Um ein flexibles, mobiles und selbstbestimmtes Arbeiten zu ermöglichen und die hohen Anforderungen an Teamarbeit und Kommunikation umzusetzen, kam stattdessen das mit Hilfe des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) entwickelte und zuvor in einer Testphase mit zwei Abteilungen erprobte Bürokonzept 3.0 zum Einsatz.

Das Modell basiert zunächst auf der Annahme, dass konkrete Arbeitsaufgaben jeweils eine konkrete Arbeitsumgebung erfordern. In jeder Abteilung stehen deshalb unterschiedlich große offene Büroflächen, abgeschlossene Besprechungsräume, bequeme Sitzlounges, eine Bibliothek oder intime Raumboxen zur Verfügung, die von den Mitarbeitern eigenständig je nach aktueller Anforderung aufgesucht und genutzt werden. Das intensive Desk-Sharing sorgt nicht nur für eine hohe Funktionalität der Arbeitsplätze, es berücksichtigt mit weniger Arbeitsplätzen als Mitarbeitern auch bereits Krankheits- oder Fortbildungstage und sorgt so für einen minimierten Leerstand und eine optimierte Nutzung der zur Verfügung stehenden Fläche.

Flankiert wird das Konzept durch modernste Technologien für digitale Büroarbeit sowie durch eine intelligent angepasste Architektur. So ermöglicht die flexible Grundrissstruktur des Gebäudes eine maximale Freiheit bei der Aufteilung der einzelnen Bereiche und erlaubt außerdem auch spätere Umstrukturierungen ohne größere Eingriffe. Ein wichtiger Baustein ist außerdem das gebäudehohe zentrale Atrium, das im Zusammenspiel mit dem eingesetzten Bürokonzept für kurze Wege, vielfältige Blickkontakte und eine Vielzahl an Möglichkeiten für zufällige Begegnungen sorgt. Ein Teil der anfallenden Arbeiten kann so quasi „nebenbei“ auf Zuruf gelöst werden.

RAUM FÜR IDEEN

Die Anforderungen an das moderne Büro sind vielfältig. Und sie lassen sich, wie gesehen, ganz unterschiedlich umsetzen. Wichtig dabei: Das moderne Büro muss Raum bieten – Raum für Kommunikation, Raum für Ideen, Raum für Veränderung. Denn in einer Arbeitswelt des ständigen Wandels müssen nicht nur Tag für Tag die unterschiedlichsten Anforderungen bewältigt werden, die Immobilie muss auch jederzeit auf neue Geschäftsmodelle oder auf Verkleinerungen oder Vergrößerungen von Unternehmen reagieren können.

Um das Büro mit Leben zu füllen, ist außerdem Entdeckergeist gefragt. Und das auf beiden Seiten. Entscheidend ist nicht die Rutsche am Arbeitsplatz, entscheidend ist es auch nicht, ob an dieser oder jener Stelle im Raum ein rotes oder doch eher ein grünes Sofa steht – entscheidend ist es vielmehr, dass es einen gemeinsamen Teamgeist gibt, der nicht von oberen herabbefohlen, sondern von allen gelebt wird. Nur so können vorhandene Schwellen abgebaut werden; die Schwellen untereinander, aber auch die Schwelle zwischen Arbeiten und Leben. Im besten Falle gelingt dann eine neue Work-Life-Balance, in der die Potenziale jedes einzelnen deutlich besser zum Tragen kommen. Die Mitarbeiter werden es danken. Schließlich zeichnen sich Produktivität und Kreativität nicht dadurch aus, dass man möglichst lange auf seinem Platz verharrt. Und sie hängen auch nicht davon ab, ob der Einzelne seine Aufgaben morgens im Zug, mittags im Café oder abends auf der Couch erledigt. Im Gegenteil: Die zunehmende Digitalisierung erlaubt uns den Luxus, an verschiedensten Orten zu unterschiedlichsten Zeiten arbeiten zu können. Schöne Aussichten also!